SALEWA Athlet Federica Mingolla

Eine Biographie über Federica Mignolla

Ich bin Federica Mingolla, bin 27 Jahre alt und lebe derzeit in Introd im Aostatal. Mein eigentliches Zuhause ist allerdings die ganze Welt – ich habe mich noch nie an nur einem Ort verwurzelt gefühlt.
Das liegt daran, dass ich in Turin – einer Großstadt – geboren und aufgewachsen bin und immer wieder versucht habe, in die Berge zu gelangen, die die Kulisse dieser schönen Stadt bilden.

Seit meiner Kindheit fühle ich mich von der Natur angezogen, vor allem von der Bergwelt. Sie gab mir ein gutes Gefühl, es war ein Ort, an dem ich frei sein konnte: Hier konnte ich auf den Wiesen spielen, die blühenden Hänge hinunterrollen, in den Seen baden, auf den letzten Schneefeldern bis in den Sommer hinein Ski fahren. Es war ein Ort voller lebendiger Farben und Gerüche.
Ich erinnere mich noch gut an den Frieden, den ich inmitten dieser stillen Berge empfand, deren Gipfel immer noch verschneit waren, obwohl der Winter schon lange vorbei war. Meine Faszination für die Berge könnte man wahrscheinlich als Liebe auf den ersten Blick beschreiben.

Das Klettern habe ich durch meinen Vater entdeckt, als ich noch sehr klein war: Er nahm mich mit auf Klettersteige und ließ mich erste Erfahrungen am Fels machen. Mit 14 Jahren besuchte ich schließlich einen Sportkletterkurs in einer Halle bei uns in der Nähe. Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört.

Meine spätere Teilnahme an Wettkämpfen führte mich, wenn auch nur für kurze Zeit, weg von den Bergen. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass ich nach vier, fünf Jahren Wettkampfkarriere bereits von dieser Welt genug hatte. Ich wollte in die Berge zurück, in die ich mich schon als Kind verliebt hatte.

Eines Tages traf ich in der Kletterhalle, in der ich als Trainerin arbeitete und trainierte, jemanden, der mein Leben verändern sollte. Sein Name war Adriano Trombetta und er war Bergführer. Das war das erste Mal, dass ich das Wort Bergführer hörte.
In den Folgejahren sollte dieses Wort eine sehr wichtige Bedeutung in meinem Leben erlangen und mir die Möglichkeit geben, die Schönheit der Berge auch kletternd zu genießen.
Adriano hat mir beigebracht, wie ich mein jahrelanges Hallentraining auf das Klettern am Fels übertragen konnte. Er begleitete mich bei meinen ersten Versuchen an erst niedrigen, dann immer höheren bis alpinen Felskletterwänden.

Adriano half mir außerdem dabei, die Schönheit der Stadt, in der ich aufgewachsen war, neu schätzen zu lernen: die Clubs, die Musik, die Theater, die Museen, die Menschen, die Kultur, der Monviso (von La Maddalena aus gesehen), die Lesezirkel, kurz all das, was die Römer gerne als „Dolce Vita“ bezeichnen. All diese Attraktionen hatte ich zuvor nie bewusst wahrgenommen.
Das war das wirkliche Leben und das Klettern war ein Mittel, um es noch intensiver zu leben.

Die Berge sie sind das, was ich am meisten liebte und liebe. Seit ich wieder in die Berge gehe, stelle ich fest, dass sich meine Herangehensweise ständig weiterentwickelt. Es überrascht mich immer wieder, wie viele Dinge mich neugierig machen und nur darauf warten, von mir ausprobiert zu werden. Das Leben in den Bergen als Kletterin und Bergsteigerin ist für mich der ultimative Ausdruck von Freiheit, etwas, das der Perfektion sehr nahekommt.

Auch in Zukunft will ich mit Menschen in meine geliebten Berge gehen, die genauso begierig darauf sind wie ich damals, intensive Emotionen zu erleben und mich immer wieder überraschen zu lassen. Oder wenn ich nach und nach versuche, meine Ziele zu erreichen, die sich im Laufe der Jahre sicherlich immer wieder ändern werden. Ich hoffe, dass sich eines nie ändert: die Liebe und die Freude an dem, was ich tue.

Ausgeübte Aktivitäten: Klettern ist für mich ein Tanz in der Vertikale, eine spontane Geste, die von den Klängen eines Rhythmus begleitet wird, den man im Kopf hat; eine ständige Suche nach dem Gleichgewicht, genau wie im Leben; ein Energieschub in den Muskeln, der süchtig macht und den man nicht missen möchte.
Klettern ist für mich Leben, aber vor allem ist es meine Art, mich auszudrücken.

Lieblingsort: Man sagt, dass die Orte, die wir am meisten lieben, in der Regel die Orte sind, an denen wir aufgewachsen sind. Für mich war und ist das Valle dell’Orco; hier fühle ich mich zu Hause. Jedes Mal, wenn ich zurückkomme, spüre ich eine positive Energie, die mich in gute Stimmung versetzt und mich beim Klettern so glücklich macht wie nirgendwo sonst. Jede meiner Besteigungen erzählt von meinem Leben, von dem meiner Freunde, von meiner Entwicklung von der Hallenkletterin zur Bergsteigerin und Bergführerin; sie erzählt von meiner Liebe zum Granit und seinen Rissen.
Das Valle dell‘Orco ist meine Heimat, aber die Welt ist voller Orte, die ich kennenlernen und in die ich mich verlieben möchte. Deshalb werde ich auch nie müde zu reisen.

Lieblingsbuch: Eravamo immortali von Manolo. Dieses Buch handelt von Manolo, einem berühmten Kletterer und Bergsteiger. Es erzählt von seiner Jugend und wie er die Berge und das Klettern an hohen Felswänden erlebt hat. Es ist die Geschichte eines Jungen, der durch die harte Realität der damaligen Zeit zum Mann wird, der sich wirklich anstrengt, um seine Wünsche zu verwirklichen, die für ihn alle in den Felsen und in der Betrachtung der Welt zu finden sind.
Ich halte dieses Buch für ein echtes Meisterwerk, denn es beschreibt sehr gut die Gefühle, die Manolo als Bergsteiger, aber vor allem als Mensch empfand. Er sagt „wir waren unsterblich“, weil sie spontan und ohne Wettervorhersage in die Berge gingen und dabei nichts für selbstverständlich hielten, nicht einmal, dass sie gesund nach Hause kommen würden. Doch er hat all das überlebt. Später, mit dem Aufkommen der Bohrhaken und des modernen Kletterns, begann ein neues Kapitel, von dem er uns nicht viel erzählt, denn fortan war Unsterblichkeit nicht mehr nötig.

Größte Angst: Keine Träume mehr zu haben und eines Tages aufzuwachen und nicht mehr das Feuer zu spüren, das mich jeden Tag für etwas kämpfen lässt.

Projekte: Ich möchte mich so gut wie möglich von meiner Fersenverletzung vom 4. September 2021 erholen, damit ich im Jahr 2022 wieder mehr reisen kann. Künftige Ziele sind: Spanien, Patagonien, Frankreich, Kirgisistan, Marokko.
Mein Hauptaugenmerk liegt auf der Erschließung neuer Routen, mich technisch schwierigeren Routen in größerer Höhe zu stellen, gemischte Routen im Ausland zu klettern und mit dem Gleitschirm hinunterzufliegen. An Ideen mangelt es mir nicht.

Erfolge:

2021: Erste Frau, die Mares 7c+ max. Expo/ ABO 340 m an der Aiguille de la Brenva (Mont Blanc) komplett auf Sicht besteigt.

Innerhalb weniger Tage in Arco di Trento, Besteigung von 2 8b (Flash), 2 8c (Rotpunkt) und 3 8a (on Sight)

Zweite Frau, die die Mehrseillängen Mixed-Route Jedi Master M11 max (Valeille - Cogne) klettert

2020: Erstbegehung von Tok Tok Sok 8b+ durch eine Frau in Droide, Valle dell’Orco

Erste Frau und erste freie Begehung der Route „Angels and Demons“, Caporal, Valle dell'Orco, gemeinsam mit Leonardo Gheza, 8a+ max/ 7a obbl. 200 m

Erste Frau und zweite freie Begehung des „Colpo al Cuore“, Caporal, Valle dell'Orco, 8a max/ 7b obbl. 200 m mit Leonardo Gheza

Erste Frau, die „Tik Tok Sock“ 8b+ im Valle dell'Orco klettert

Erste Frau und erste freie Begehung der Route namens „La vendetta del Caduto“, Chandelle du Tacul, 8a?/ 7a obbl. mit Francesco Civradano

Erste Frau und zweite Person überhaupt, die die Route „Incroyable“ am Pilier Rouge frei erklimmt, 8a max/7b obbl. 290 m mit Leonardo Gheza

Erste Frau, die die Route „Il giovane guerriero“ im Osten der Grandes Jorasses, 7b+/c 350 m mit Leonardo Gheza frei klettert

Eröffnete Routen:

2020: VALLE DELL’ORCO – PUNTA PHUC, GIPFEL DES MONTE CASTELLO: Eröffnung einer neuen Route mit Andrea Migliano namens „Gli amici di Via Pò“ 7b max/ 6c+ obbl. RS3 300 m

VALLE DELL’ORCO – CAPORAL: Fertigstellung der von Massimo Farina und Ezio Marlier 2005 begonnenen Route mit Leonardo Gheza, „Angels and Demons“ 8a+max /7a obbl. 200 m

VALLE DELL’ORCO – CAPORAL: Fertigstellung der von Massimo Farina und Ezio Marlier 2005 begonnenen Route mit Leonardo Gheza, „Angels and Demons“ 8a+max /7a obbl. 200 m

2019: Tasermiut Fjord – GRÖNLAND: Eröffnung einer neuen Route mit Edoardo Saccaro an der Südwand des Middle Pillar – Nalumasortoq namens „La Cura“ 7b+/A2+ 525 m

 

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